Verkehrsrelikte vergangener
Zeiten in Brandenburg an der Havel
Teil 2: Straßen
Brandenburg an der Havel, einst
Zufluchtsort und Festung mitten in der sumpfigen
Niederung der Havel, bot nicht gerade ideale
Voraussetzungen für die Anlage von Verkehrswegen
über das Land. Trotzdem wurde der bestehende
Havelübergang für den Fernhandelsweg von Brandenburg
nach Spandau genutzt. Die frühe Anlage von Dämmen
durch die Havelniederung machte dies möglich. So
entstand wohl auch der heutige Grillendamm, 1216
wurde eine "Neue Brücke" im Zuge des "Alten Dammes"
erstmals urkundlich erwähnt. Die Errichtung des
Mühlendammes von der Neustadt, mit Einbindung der
Dominsel und zweier kleinerer Inseln, bis zum
damaligen Slawendorf Cracow gestattete
einen
direkten Zugang von der Neustadt Brandenburg zum
genannten Fernhandelsweg.
Die große Poststraße von Memel
nach Cleve, angelegt vom
großen Kurfürst Friedrich Wilhelm um 1650, nutzte
den 1631 angelegten
Sankt-Annen-Damm. Die Anlage dieser ca. 1,5 km
langen Trasse nahm ihren Anfang vom St.-Annen-Tor
und überquerte das Breite Bruch in östlich und
südöstlicher Richtung. 1804 wurde über diesen Damm
die Potsdamer Chaussee gebaut und der Fahrdamm von
Brandenburg bis Berlin mit Steinen befestigt. Die
Chaussee verlief über mehrere kleinere Sandinseln in
gewundener Führung bis sie bei Neuschmerzke wieder festes Land
erreichte. Gerade hier macht sich deutlich, wie
veränderte Verkehrsverhältnisse bzw. die
Verkehrsentwicklung eine andere
Verkehrsführung/Trassierung erfordert. Aber auch
Gegebenheiten nach Ende des letzten Krieges, die
veränderte Anlage von Brücken u.a. machten
Neutrassierungen oder Trassenänderungen notwendig.
Beim aufmerksamen Beobachten
der heutigen Straßenführungen kann man in unserer
Stadt vielfältige Hinweise entdecken, dass die
Anlage der Straße früher einmal anders gewesen sein
muss.
Hier einige Beispiele dafür:
Reichsstraße / Fernverkehrsstraße / Bundesstraße 1
Potsdamer Landstraße, Alte
Potsdamer Straße (ehemaliger Sankt-Annen-Damm)
Aufnahme: © H. M.
Waßerroth,
21.04.2015
Aufgegebenes, südlichstes Stück der
Potsdamer Landstraße, hinten am Ende
der Baumallee existiert noch die Brücke über den
Neujahrsgraben und dahinter befindet sich Abzweigung
Bundesstraße 1 und 102. Von dieser Abzweigung wurde
die Einfahrt nach Brandenburg im Zuge der
Streckenbegradigung vornehmlich der Potsdamer Straße
von 1971 bis 1973 neu trassiert.
Aufnahme: © H. M.
Waßerroth,
21.04.2015
Im Bereich der auf Grund des ungünstigen Baugrundes
nur spärlichen Bebauung der
Potsdamer Landstraße findet sich noch
heute der über viele Jahrzehnte bestehende
Fahrbahnbelag mit Mosaikpflaster, teilweise aus
Basaltstein, in der ursprünglichen Fahrbahnbreite
mit Sommerweg. Mit Eröffnung der neuen Potsdamer
Straße fiel auch der Bahnübergang an der Einfahrt in
den Brandenburger Hauptbahnhof weg. Er war zudem
damals schon zu einem ernsten Verkehrshindernis
geworden.
Aufnahme: © H. M.
Waßerroth,
01.03.2015
Auch auf der nördlichen Seite der Bahnstrecke die
gleiche Situation. Dieser Abschnitt ist heute die
Alte
Potsdamer Straße, mit Mosaikpflaster
und Sommerweg. Hier ist auch die Dammlage deutlich
erkennbar. Im Hintergrund die Rampe der Potsdamer
Straße zur Brücke über die Eisenbahn.
Magdeburger Straße - Quenzbrücke
Aufnahme: © H. M.
Waßerroth,
21.04.2015
Von
Süden kommend macht die
Magdeburger Straße
ab der vorletzten Ampelanlage (Neuendorfer Sand)
eine leichte Biegung nach West, um auf der
heutigen 1967 fertiggestellten Quenzbrücke den
Silokanal zu überqueren. Die alten Alleebäume
entlang der Straßenbahntrasse verraten, dass die
Magdeburger Straße ursprünglich geradeaus
weiterführte und den Silokanal an anderer Stelle
überquerte.
Plauer Landstraße, Plauer
Brücke
Aufnahme: © H. M.
Waßerroth,
06.05.2015
Weiter westlich im
Zuge der Bundesstraße 1, vor der Havelquerung vor
Plaue, führt die Trasse heute weiter nördlich der
Plauer Landstraße über die Havel und
umgeht die ursprüngliche enge Durchfahr durch Plaue.
Aufnahme: © H. M.
Waßerroth,
06.05.2015
Die
Plauer Brücke über die Havel, einst
eine Brücke aus Holz wurde 1904 als
Fachwerkbrücke aus Stahl neu eröffnet, ist heute nur
noch für Fußgänger und Radfahrer freigegeben. Die
Straßenbahn nutzte hier, wie in der ganzen Ortslage,
die Fahrbahn bis zur Einstellung der Linie von der
A-Saefkow-Allee nach Kirchmöser West in Seitenlage,
was zunehmend verkehrsbehindernd und auch gefährlich
wurde.
Aufnahme: © H. M.
Waßerroth,
26.07.2009
In den Abendstunden des 04. Mai 1945 gegen
22.45 Uhr von der
sich zurückziehenden
deutschen
Wehrmacht
gesprengt, nach dem Krieg in alter Form wieder
aufgebaut steht die
Plauer Brücke
heute unter
Denkmalschutz und ist in einem sehr desolaten
Zustand.
Krakauer Straße, Alte Krakauer Straße, Krakauer
Landstraße
Aufnahme: © H. M.
Waßerroth,
01.05.2015
Der Straßenname
Alte Krakauer Straße lässt erahnen,
auch hier ist die Verkehrsführung verändert worden.
Der Blick in das Liegenschaftskataster bestätigt die
Annahme. Bereits ab Einmündung Grillendamm wurde die
Straßenführung im Zusammenhang mit dem Umbau der
Stimmingsarche geändert.
Aufnahme: © H. M.
Waßerroth,
02.05.2015
Auch nördlich der Vorstadtschleuse
verraten die Gebäude beiderseits der
Krakauer Landstraße, hier war die
ursprüngliche Straßenführung etwas anders. Die heute
bestehende Brücke über die Vorstadtschleuse wurde
östlich direkt neben der alten Schleusenbrücke von
1909 und mit einer
größeren Durchfahrtshöhe für die Schiffe erbaut und
am 30.11.1967 eröffnet.
Ehemalige Fohrder Straße
(Willy-Sänger-Straße, Erich-Knauf-Straße,
Zauchestraße)
unter Mitbetrachtung des Gördenweges,
Hohenzollern Straße, Askanier Straße
Aufnahme: © H. M.
Waßerroth,
21.04.2015
Bei den Straßen
Willy-Sänger-Straße,
Erich-Knauf-Straße und Zauchestraße
wird man sich fragen, was sind hier für Relikte
der Verkehrsgeschichte Brandenburgs? Dazu muss
man in der Geschichte der Brandenburger
Verkehrswege ein wenig weiter zurückgehen und
das Straßensystem viel weitreichender betrachten. Zum
besseren Verständnis und zur Darstellung sollen hier einige ältere
Kartenausschnitte beitragen:
Karte von 1882, Druck:
unbekannt, Repro
© H.M.Waßerroth
Im 19. Jahrhundert begann
gleich vor dem Rathenower Tor die Straße nach
Brielow. Unter dem Nordhang des Marienberges
führte ebenfalls eine Straße (heute Teil der
Willy-Sänger-Straße) mit vereinzelten
Gehöften entlang. An der hier betrachteten
Stelle begann nun ein Weg (später
Fohrder Straße) über die Marienbrücke,
Kreuzung mit dem Silograben, zum Vorwerk Silo
(später das heute aufgegebene Kasernengelände
Hohenstücken) und weiter Richtung Bohnenland.
Außerdem zweigte hier der Gördenweg
zur Colonie Görden mit Kreuzung des Silograbens
an der Schafbrücke ab. Weiterhin gab es ab hier
am Westhang des Marienberges entlang einen Weg (später Askanier
Straße) zur
Harlunger Straße.
Karte von 1904, Repro
Slg. H.M.Waßerroth
Von 1895 bis 1897
wurde die Chaussee vom Rathenower Tor über
Fohrde, Pritzerbe und Premnitz nach Rathenow
gebaut. Im Bereich Brandenburg nutzte diese
Chaussee von der Rathenower Straße am Rathenower Tor aus die
bestehende Straße unter dem Nordhang des
Marienberges und ab der Weggabelung, die wir
hier betrachten, den Weg nach Bohnenland bis in
den Altstätischen Forst, um dann weiter über den
Fohrder Berg auf einer Neutrassierung nach
Fohrde im Zuge der heutigen Bundesstraße 102 zu
führen. So wurde diese Straße zur
Fohrder Straße. Ab 1904 kreuzte die neu
eröffnete Westhavelländische Kreisbahn die
Fohrder Straße gleich hinter
der Marienbrücke.
Karte mit Änderungen
durch den Bau des Silokanals von 1910, Repro
Slg. H.M. Waßerroth
Diese Karte zeigt die Veränderungen
an der
Fohrder Straße und dem
Gördenweg durch den Bau des Silokanals. Da
aus Kostengründen die Straßenbrücken über den
Silokanal fast ausnahmslos im rechten Winkel zur
Kanalachse erbaut worden waren, kam es in
diesen Bereichen zur Änderung der
Straßenführung, was besonders auffällig am
Gördenweg im Bereich der
ehemaligen Schafbrücke über den aufgegebenen und
auf weiten Strecken zugeschütteten Silograben zu
erkennen ist.
Von der ehemaligen Schafbrücke bestand schon
länger ein Verbindungsweg zur
Harlunger Straße.
Karte von 1912, Druck und Verlag J. Wiesike
Buch- und Kunstdruckerei Brandenburg, Repro
© H.M.Waßerroth
Den Weg von der Schafbrücke zur
Harlunger Straße säumten alleeartig
gepflanzte Bäume. 1912 wurde dieser Weg mit
Aufbau der Straßenbahnstrecke über den Görden
nach Plaue ausgebaut und zur
Hohenzollern Straße. Die
Straßenbahntrasse verlief auf der westlichen
Seite der Baumallee, ähnlich wie am Gördenweg
auf der südlichen Seite.
Auf diesem Kartenausschnitt auch sehr gut
ersichtlich, die damalige Führung der Hafenbahn
(bis 1922) vom Bahnhof Altstadt zum damaligen
städt. Umschlaghafen am Silokanal. Die
Hafenbahntrasse entspricht bis zur Umfahrung des
Gallberges in etwa der heutigen Trasse der
Fontanestraße und ein Stück der Willy-Sänger-Straße.
Karte von 1929, Druck:
Werkstätten für Buch- und Kunstdruck O. Sidow &
Co. Brandenburg, Repro
© H.M.Waßerroth
Der südliche Teil des
Gördenweges (bis zur Brücke über den
Silokanal) wurde alsbald, und hier nun auch
treffender, zum
Am Gallberg. (Bis Ende der 1980er Jahre
existierte auf dem Stück vom Bahnübergang der
Hafenbahn bis zur August-Bebel-Straße
noch das alte Pflaster des Gördenweges
aus Feldsteinen.) Aus der
Hohenzollern Straße wurde die
Carl-Legien-Straße.
Karte von 1958, Kurt
Tschammer Hohen-Neuendorf, Druck: R. Greulich u.
Sohn Berlin, Repro
© H.M.Waßerroth
Mit dem Aufbau des Opelwerkes 1935
zwischen Silokanal und Trasse der
Westhavelländischen Kreisbahn in der Achse der
Carl-Legien-Straße musste der
Straßenverkehr einschließlich Straßenbahn um das
Werk herum geführt werden. Es wurde die neue
Burggrafenstraße (heute
August-Bebel-Straße) gebaut.
Am 25. April 1945 sind fast alle Brücken
über den Silokanal vor den heranrückenden Russen
gesprengt worden. Diese Aktion wirkte sich
nachhaltig auf unseren hier betrachteten Bereich
aus. Die Fohrder Straßenbrücke wurde nie wieder
aufgebaut, die Gördenwegbrücke an ihrer
bisherigen Stelle auch nicht. Eine neue Brücke
aus den geborgenen verwertbaren Teilen der
gesprengten Brücken entstand in Verlängerung der
August-Bebel-Straße genau da,
wo bereits in den 1930er Jahren eine neue Brücke
geplant war. Diese neue Gördenbrücke wurde am
18.12.1948 eingeweiht. Als Verbindung zur
Fohrder Landstraße entstand
zwischen Gördenbrücke und Vorwerk Silo wie
ebenfalls bereits geplant die Rathenower
Landstraße. Die Fohrder Straße
als wichtige Straße nach Rathenow hatte ihre
Bedeutung verloren.
Eine grundlegende Aufwertung bekam unser hier
betrachteter Bereich mit dem Aufbau des
Stadtteils Brandenburg Nord. Der Abschnitt der
Fohrder Straße unterhalb des
Nordhanges des Marienberges wurde umbenannt in
Willy-Sänger-Straße, das
verbliebene Stück Richtung Silokanal wurde zur
Arthur-Weineck-Straße bzw. dann
Erich-Knauf-Straße. Die Straßen sind
ausgebaut worden und die neue
Willy-Sänger-Straße unter Nutzung eines
Teilstückes der Askanier Straße
bis zur August-Bebel-Straße
gegenüber der Einmündung Fontanestraße
verlängert.
Aufnahme: © H. M.
Waßerroth,
21.04.2015
Mit dem Aufbau des Stadtteils Brandenburg Nord
wurden die Straßen an dieser Abzweigung neu
angelegt. Geblieben sind die alten Straßenbäume, die
die nachgepflanzten im Alter weit übertreffen. Auch
die entlang der
Erich-Knauf-Straße (früher
Fohrder Straße, dann
Arthur-Weineck-Straße), stehenden
Einfamilienhäuser zeugen noch vom früheren
Höhenniveau der damaligen Fohrder Straße.
Fohrder Landstraße
Aufnahme: © H. M.
Waßerroth,
20.04.2015
Mit Sprengung der Fohrder Straßenbrücke
wurde auch die
Fohrder Landstraße ihrer früheren
Funktion beraubt. Sie wurde zur Sackgasse und diente
nur noch als Zufahrtstraße für die Anlieger und der
VEAB (früheres Heeresverpflegungsamt). Lange Zeit
hatte sich hier noch die ursprüngliche Pflasterung
mit Feldsteinen erhalten.
Aufnahme: © H. M.
Waßerroth,
20.04.2015
Der Abschnitt der
Fohrder Landstraße nördlich der
Upstallstraße bis zum ehemaligen Vorwerk Silo, dann
Armeeobjekt, wurde nicht mehr genutzt und verfiel
zusehends. Erst als dieses Stück als
Umleitungsstrecke für die Erneuerung der Rathenower
Landstraße gebraucht wurde, kam es zur
Instandsetzung.
Karl-Marx-Straße (früher
Hohenzollernstraße, dann Carl-Legien-Straße)
Aufnahme: © H. M.
Waßerroth,
21.04.2015
Die ehemalige Hohenzollern Straße,
heute die Karl-Marx-Straße mit
getrennten Richtungsfahrbahnen und Baumallee in
der Mitte. Rechts neben der Baumallee der
Grünstreifen ist die ehemalige Gleistrasse der
Straßenbahn.
Aufnahme: © H. M.
Waßerroth,
21.04.2015
Wo die heutige
Karl-Marx-Straße auf die
Fontanestraße trifft, führte bis zum Bau
des Opelwerkes 1935 diese Straße als
Carl-Legien-Straße geradeaus weiter über
die Strecke der Westhavelländischen Kreisbahn zur
Gördenwegbrücke. Die verbliebenen Baumreihen und ein
Weg bis zu den Bahngleisen der heutigen Hafenbahn
erinnern daran.
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Vers. 1.1.5. vom 17.05.2023
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