Die Ziegeleien in und um Brandenburg an der Havel

Mit Ton und Lehm wird schon seit Jahrtausenden gebaut und gearbeitet. Ton und Lehm wurden gleichzeitig als Putz- und Mauermörtel verwendet. Lehmziegel sind der älteste von Menschen geschaffene Baustoff. Dabei wurde das Material zunächst nicht gebrannt, sondern nur getrocknet. Wann und wo es zur Entdeckung kam, dass gebrannter Ton wesentlich haltbarer ist, lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Vermutlich wurde diese Entdeckung auf mehreren Kontinenten unabhängig voneinander gemacht. Die Herstellung der Ziegel blieb über Jahrtausende hin gleich: Von Hand gestrichen, wurden sie in periodisch brennenden Öfen gebrannt.

Übrigens leitet sich vom lateinischen Begriff „tegula“ für Dachziegel unser Wort „Ziegel“ ab.

Bis ins letzte Jahrhundert gab es rings um Brandenburg und unmittelbar im heutigen Stadtgebiet zahlreiche Ziegeleien. Die großen diluvialen Tonvorkommen boten eine ausgezeichnete Grundlage für diese Betriebe. Diluviale Tone finden sich in unserer Gegend vornehmlich als Beckentone, die als Ablagerungen der Gletschertrübe vor dem Eisrand in Stauseen entstanden sind. Sie lagern beiderseits der Havel in den Niederungen und im Bereich der Hochflächen.

    

Kartenausschnitt eines Messtischblattes von Päwesin von 1882, Ausgabe 1916, mit immerhin 11 Ziegeleien,

Slg. H. M. Waßerroth

  

Eine Reformierung der Ziegelindustrie erfolgte Mitte des 19. Jahrhunderts. Der deutsche Baurat Friedrich Eduard Hoffmann (* 18.10.1818 in Gröningen; † 03.12.1900 in Berlin) meldete am 28.05.1858 in Preußen das Patent „Erfindung eines ringförmigen Ofens zum ununterbrochenen Betriebe beim Brennen aller Arten von Ziegeln und Tonwaren, Kalk, Gips und dergleichen“. an.

Der von Hoffmann erfundene Ofen ermöglichte es zum ersten Mal in der Geschichte, größere Mengen von Ziegel kontinuierlich bei erheblicher Energieersparnis zu brennen. Die Geschichte des Ringofens ist eine Erfolgsstory, die Ihresgleichen sucht, da erst durch diese Erfindung das benötigte Baumaterial für die rasant wachsende Bevölkerung und die zunehmende Industrialisierung in Deutschland und weltweit zur Verfügung stand.

Das Verfahrensprinzip ist sehr einfach; ein kontinuierlicher Brennbetrieb in einem in sich geschlossenen Brennkanal mit Befeuerung von oben durch die Ofendecke. Der stehende Besatz mit umlaufendem Feuer zeichnete den Ringofen aus.

Gebrannt wird i.d.R. bei Temperaturen von 900 - 1000°C. Bei zu hohen Temperaturen fängt das Material an zu schmelzen und verformt sich bei abnehmender Festigkeit. In vielen Dörfern unserer Gegend findet man noch heute auf gemauerten Zaunpfählen oder Mauern zur Umzäunung aus in hiesigen Ziegeleien gefertigten Ziegeln verschmolzene Ziegelklumpen zur Verzierung. Sie haben dann meist grünliche Farben.

  

So sieht ein Ziegelklumpen dann zum Beispiel aus

     

Hoffmannsche Ringöfen sind z. B. in Glindow (von 1868), Ziegeleipark Mildenberg, Wiesenburg-Reetz, Ziegelei Lage und Westeregeln (von 1894) erhalten. Seit 2000 gibt es im Ziegeleipark Mildenberg im 1897 errichteten Ringofen III eine Hoffmann-Ausstellung.

       

Ringofen nach F. E. Hoffmann im Ziegeleimuseum Mildenberg im Juni 2006, © Schlesinger, www.wikimedia.org

       

Eine Vielzahl von Ziegeleien brannten so bereits im 19. Jahrhundert Steine; die großen Ringöfen ermöglichten einen ergiebigen Betrieb. Auf der Havel, auf dem Beetzsee und dem Emster-Kanal ließen sich die Ziegel billig verfrachten. Rund 100 Ziegeleien sollen gegen Ende des 19. Jahrhunderts im Havelgebiet in Betrieb gewesen sein: vom Plauer See bis Pritzerbe 21, am Beetzsee bis zum Riewender See 22, an der Mittelhavel zwischen Potsdam und Brandenburg 40, um Lehnin 9 und westlich von Ketzin in einer Havelbucht 13.

       

Verlag: unbekannt, Foto: unbekannt

Die Ziegelei bei den Windmühlen in Plaue auf einer am 16.01.1911 gelaufenen Postkarte, Slg. H. M. Waßerroth

   

Große Mengen der Steine transportierten die Ziegeleien einst nach Berlin. Sie dienten dem weiteren Aufbau der aufstrebenden Stadt. Für ein typisches Berliner Mietshaus mit fünf Etagen brauchte man knapp 1,5 Millionen Ziegel. Die Ziegel wurden in Kähnen über Kanäle und die Havel nach Berlin transportiert. Noch heute zeugen die gelben Klinker am S-Bahnhof Jannowitzbrücke von der havelländischen Ziegelindustrie. Auch erinnern die zahllosen Tonlöcher an die einst so vielen Betriebe. Das Gebiet rings um Krahnepuhl und Briest, im Raum Lehnin / Rädel, am Beetzsee, um Ketzin und Klein Kreuz werden davon charakterisiert. Vielfach zeichnen sich die Tonlöcher heute durch einen guten Fischbestand aus. Meist sind diese Gewässer Verbandsgewässer des Landesanglerverbandes Brandenburg e.V. oder werden von ihm betreut. Wer hier angeln möchte, sollte sich im Vorfeld mit den Bestimmungen vertraut machen.

     

Ton - Ausgangsstoff für die Ziegelherstellung

Tone sind Sedimente mit hohen Gehalten der Korngröße < 2 μm (0,002 mm). Darin dominieren die meist blättchenförmigen Tonminerale, die den Tonen die Plastizität verleihen. Daneben treten auch Quarz, Feldspäte, Glimmer und andere Minerale auf (z.B. Calcit, Pyrit, Eisenoxide...). Die Qualität des Ausgangsrohstoffes für die Ziegelindustrie kann stark schwanken. In den seltensten Fällen handelt es sich wirklich um „reinen Ton“, wenn in der Ziegelverarbeitung von diesem Rohstoff die Rede ist.

Zur Unterscheidung: Lehm dagegen ist eine Mischung aus Sand (Korngröße > 63 µm), Schluff (Korngröße > 2 µm) und Ton (Korngröße < 2 µm). Er entsteht entweder durch Verwitterung aus Fest- oder Lockergesteinen oder durch die unsortierte Ablagerung der genannten Bestandteile. Lehm ist nicht so plastisch und wasserundurchlässig wie reiner Ton, weil die Korngröße der Bestandteile Sand und Schluff größer ist.

       

aus Wikipedia, Foto: unbekannt

Ton in einer Lagerstätte in Estland, Aufnahme 06.06.2013,

      

Der sogenannte Glindower Ton aus der Gegend von Glindow bis Petzow enthält viel staubfeinen Quarzsand und ist ein mehr oder weniger fettes geschätztes Rohmaterial für die Ziegelindustrie. Gefunden und gefördert wurden diese Tone u.a. bei Lehnin, Damelang, Phöben, Jeserig, um nur einige Fundorte zu nennen. Teilweise wurden sie auch als Töpfertone verwendet.

Als gleichfalls wichtige Tonvorkommen für die Ziegelindustrie sind die Haveltonmergel zu nennen. Sie hatten sich in den Wiesen beiderseits der Havel vor Jahrtausenden aus den Schmelzwassern des Inlandeises niedergeschlagen. Von Pritzerbe bis Ketzin sowie zu beiden Seiten des Beetzsees gab es ansehnliche Vorkommen. Die Schichten waren unterschiedlich stark, bei Briest erreichten sie beispielsweise eine Mächtigkeit von bis zu 17 Metern. Der Havelton weist eine weißgraue Farbe auf und enthält bis zu einem Drittel Kalk. Ein ähnlich kalkiger Havelton, dessen Bildung ähnlich entstanden sein muss, liegt im oberen Haveltal bei Zehdenick. Im Ziegeleipark Mildenberg ist ein Stück Ziegeleigeschichte anschaulich erhalten geblieben.

Der Elbton ist gegenüber dem Havelton kalkfrei, aber durch seinen Eisengehalt leicht durch seine Lehmfarbe zu unterscheiden. Er hatte sich einst in den Niederungen des Dorfes Vehlen sowie bei Pritzerbe und in der Gegend um Rathenow abgelagert. Durch mehrere Laufänderungen der Elbe in postglazialer Zeit, die auch bis in unsere Gegend reichten, sind diese Ablagerungen entstanden.

Vereinzelt können lösliche Salze im Ton schädlich sein. Hier entstehen dann am gebrannten Stein weißliche Ausblühungen.

     

Der Produktionsprozess

Die Ziegeleitechnik war ursprünglich reines Handwerk. Der für die Ziegelherstellung benötigte Ton wurde mit Hacken oder Spaten in möglichst nahen Tongruben abgebaut, um weite Transportwege zu vermeiden. Aus diesem Grund fanden sich die meisten Ziegeleien unserer Gegend am Ort der Tonvorkommens. Bei großen Lagerstätten gruppierten sich nicht selten gleich mehrere Betriebe um solche Lagerstätten. Mit dem Niedergang der Ziegelindustrie durch modernere Baumethoden verschwanden auch die vielen Ziegeleien wieder. Geblieben sind die zahllosen mit Wasser vollgelaufenen ehemaligen Tongruben als kleine Seen.

Den in den Tongruben gewonnenen Ton transportierten Feldbahnen, sie eigneten sich am besten dafür, in die Ziegeleien zur Aufbereitung. Anfangs mussten die Arbeiter die Loren von Hand schieben oder Pferde zogen die schweren Loren in die meist Kleinbetriebe, die unter freiem Himmel die noch feuchten Ziegel in der Sonne vortrockneten und anschließend in einem Ofen brannten. Später übernahmen kleine Feldbahnloks diese Aufgabe für die immer größeren Ziegeleien. Waren Tonlagerstätten erschöpft, sind bald weiter entfernte Lagerstätten erschlossen und der gewonnene Ton mit Feldbahnen zu den Ziegeleien transportiert worden. Auch in den Ziegeleien selbst entwickelte sich ein immer größeres Feldbahnnetz, um die Masse an Ziegel effektiv und schnell transportieren zu können.

     

Verlag: unbekannt, Foto: unbekannt

Zug von der Tongrube zur Ziegelei, hier wahrscheinlich die Ziegelei Prerauer & Co. bei Zehdenick,

später Werk 2/2 des VEB Ziegelwerke Zehdenick, Datum unbekannt, Slg. H. M. Waßerroth

     

Der abgebaute Ton musste vor der Verarbeitung in den Ziegeleien zunächst aufbereitet werden. Er musste zerkleinert, gewalzt, geknetet, gemischt, gereinigt, angefeuchtet und mit den gewünschten Zusatzstoffen versehen werden, bevor die Formgebung erfolgt. Das geschah zunächst in Handarbeit, bis Maschinen diese schwere Arbeit übernahmen. Anschließend wurde diese plastische Masse zu den Streichtischen gefahren und dort in Holzformen "gestrichen", der sogenannte Handstrich. Der Handstrich ist eine alte Technik der Ziegelherstellung. Durch dieses aufwendige manuelle Verfahren bekommt jeder Ziegel seine Individualität in Farbe und Struktur. Mit seiner ästhetischen Wirkung und der individuellen Prägung ist ein Handstrichziegel ein unabdingbares Muss besonders bei der Sanierung und Restaurierung von denkmalgeschützten Bauwerken. In den Dampfziegeleien erfolgte die Formgebung maschinell. In unserer Gegend stellten aber nur wenige Ziegeleien auf eine maschinelle Ziegelformung um.  

Bei der maschinellen Formgebung wird der Ton beim Austritt aus dem Tonschneider durch ein an diesem befindliches Mundstück, dessen Querschnitt dem des anzufertigenden Ziegelfabrikates entspricht, in Gestalt eines fortlaufenden Stranges gepresst und durch eine Abschneidevorrichtung in die gewünschten Längen geteilt.

Um eine größere Einheitlichkeit in die unzähligen Ziegelformate und damit in der Ziegelfabrikation überhaupt zu erreichen, haben sich die Fabrikanten im Jahre 1867 (lt. Handbuch der Wirtschaftskunde Deutschlands, Band 3 von 1904) im Einvernehmen mit der Regierung auf ein Normalformat geeinigt: eine Länge von 25 cm, eine Breite von 12 cm und eine Stärke von 6,5 cm. 1872 wurde dieses 'Reichsformat' (heute als altes Reichsformat bezeichnet) per Gesetz festgelegt. Mit dem metrischen System ist das (neue) Reichsformat mit den Maßen 24 cm x 11,5 cm x 7,1 cm (L x B x H) festgelegt worden. Neben diesem normalformatigen Ziegel wurden auch Ziegel in einem größeren, dem sogenannten Klosterformat hergestellt, die bei Monumentalbauten zur Erzielung einer größeren Wirkung verwendet wurden. Unsere Kirchen und Klöster zeugen in ihrer Ziegelbauweise davon. Das Klosterformat wurde in den Abmessungen von 28 cm x 15 cm x 9 cm bis 30 cm x 14 cm x 10 cm hergestellt.

    

Verlag: unbekannt, Foto: unbekannt

Ziegeleiarbeiter beim Handstrich, Ort und Datum unbekannt, Slg. H. M. Waßerroth

     

Nach der Formgebung wurden die Ziegel luftgetrocknet. Die Holzformen wurden dazu nach dem Einstreichen auf der flachen Erde umgestülpt und entleert. Bis zum Festwerden standen die Ziegel kantig auf der flachen Erde und nach ein­ bis zweitägigem Antrocknen kamen die Formlinge dann zum weiteren Trocknen in Trockenschuppen, in denen sie in mehreren Etagen in einer Art Regal bis zum Brennen im Ofen weiter an der Luft trocknen konnten.

      

Verlag: unbekannt, Foto: unbekannt

Ziegeleiarbeiter beim Einräumen der vorgetrockneten Ziegel, Ort und Datum unbekannt, Slg. H. M. Waßerroth

         

Das Brennen der Ziegel erfolgte zunächst in Kammeröfen. Der Nachteil hierbei bestand darin, dass der Ofen nach jedem Brand ausgehen und abkühlen musste, bevor man ihn ausräumen und mit neuen Ziegelrohlingen bestücken konnte. Die Erfindung des Ringofens änderte die Technologie des Brennens grundlegend. Der kontinuierliche Brand lieferte nun eine gleichbleibende Qualität der Ziegel. Dagegen war das Ergebnis in den vorher üblichen Kammeröfen nach jedem Brand anders. Die Ringöfen brannten ununterbrochen, Tag und Nacht. Dies ermöglichte jetzt eine vorher nie gekannte Steigerung der Ziegelproduktion.

Der Hoffmannsche Ringofen besteht aus einem großen Kreis oder Oval mit etwa 14 bis 20 Brennkammern, in denen unabhängig voneinander ein Feuer unterhalten werden kann, das die in der Kammer befindlichen getrockneten Ziegelrohlinge brennt. Nach dem Brennvorgang lässt man in einer Kammer das Feuer verlöschen, und die nächste Kammer wird mit Brennstoff beschickt. Dadurch wandert in etwa ein bis zwei Wochen das Feuer einmal um das Oval. Durch eine ausgeklügelte Be- und Entlüftung der Kammern erwärmen die gebrannten Ziegel die Zuluft für das Feuer, was diese wiederum schneller abkühlen lässt, während die heißen Abgase die Rohlinge trocknen und schon vorerhitzen. Im Oval gegenüber der beheizten Kammer befinden sich die jeweils kühlsten Kammern. Hier werden die fertigen Ziegel entnommen und die Kammer neu befüllt.

     

aus Wikipedia, Grafik: Frank von Marillac (CC BY-SA 3.0) 

Funktionsprinzip des Hoffmannschen Ringofens am Beispiel des Ringofens der Ziegelei Pape in Bevern

          

aus Wikipedia, Foto: Matthias Süßen

Brennkammer des Hoffmannschen Ringofens der stillgelegten Ziegelei von Uttum, Aufnahme 06.06.2013,

deutlich sind die Feuerungsöffnungen an der Decke und rechts am Boden die Öffnung für den Abzug der Rauchgase zu erkennen

           

aus Wikipedia, Foto: Frank von Marillac

Schürebene auf dem Hoffmannschen Ringofen der Ziegelei Pape in Bevern, Aufnahme 04.08.2013,

im Boden die Feuerungsöffnungen für die Zuführung von Brennmaterial zu den Brennkammern

       

Nach dem Brennen wurden die Ziegel von den Ziegeleien zu Millionen meist auf dem Wasserweg zu ihren Abnehmern versendet. Der Transport der Ziegel per Schiff war die preiswerteste Art. Hier konnten große Mengen preisgünstig versandt werden. Ca. 40- bis 50.000 Ziegelsteine wurden auf einem damals üblichen Kahn verladen. Für Ziegeleien, die ihre Anlagen nicht in unmittelbarer Nähe zu Wasserwegen hatten, war es sogar rentabel, einen Stichkanal bis vor die Tore des Werkes anzulegen. So geschehen u.a. bei der Ziegelei Weseram, im Ziegeleigebiet Ketzin, Deetz und Götzer Berge. Auch der Transport der Ziegel per Bahn war für Ziegeleien mit ungünstiger Lage zu den Wasserwegen eine Alternative, wie zum Beispiel bei den Ziegeleien am Lötz bei Päwesin oder in der Gegend um Lehnin. Der Transport mit der Eisenbahn war zwar teurer, aber die Ziegel waren schneller beim Empfänger. Viele Ziegeleien unterhielten eigene Feldbahnen zu Ladestellen der Eisenbahn, wie von Michelsdorf und Rädel zum Bahnhof Lehnin der Lehniner Kleinbahn.

 

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aus verschiedenen Quellen

zusammengestellt und bearbeitet von H. M. Waßerroth

     

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vers. 1.5.6 vom 08.12.2023

© Harumi Michelle Waßerroth