Der alte Hauptpegel von Bandenburg an der
Havel
Über viele Jahre wurden die Wasserstände
der Havel durch den Brandenburger Hauptpegel gemessen, der
sich am Mühlendamm gegenüber der Heidrichs-Mühle befindet.
Der turmförmige, aus roten Backsteinen errichtete Zweckbau
wurde im Jahre 1904 im Oberwasser der Havel erbaut. Um
zugleich den Wasserstand der Unterhavel messen zu können,
stand das Pegelhaus mit dem Unterwasser in Verbindung. Der
sogenannte Zulauf führte unter dem Mühlendamm hindurch und
leitete das Wasser der unteren Havel dem Pegelschacht zu.
Hier stieg es dann auf Grund der Wirkung kommunizierender
Röhren an.
© H. M. Waßerroth
Die Wasserstände beider Pegel, d. h.
Ober- und Unterpegel, wurden durch einen selbstschreibenden
Schwimmerpegel auf ein Zifferblatt übertragen. Der
Selbstschreiber übertrug die mechanische Kraft auf die
Zeiger der Messuhr. Der Wasserstand der Oberhavel wird vom
roten Zeiger angegeben, während der schwarze die Höhe des
Unterwassers aufzeigt. Aus der Differenz lässt sich der
Höhenunterschied zwischen dem Ober- und Unterwasser
errechnen. Gleichzeitig wurden mit der Pegelapparatur die
Wasserstände von Ober- und Unterwasser auf eine mit
Millimeterpapier bespannte Trommel gezeichnet. Durch ein
Uhrwerk drehte sich die Trommel einmal in einer Woche um die
eigene Achse, dann war Papierwechsel erforderlich. Mit dem
Schreibpegel war eine sichere Dokumentation der Wasserstände
gegeben.
© H. M. Waßerroth
Um die Aufzeichnungen vergleichen zu
können, waren außerdem Pegellatten mit einer
Zweizentimeter-Einteilung angebracht. Die Messlatte des
Oberpegels befand sich an der Stirnseite des Pegelturmes und
reichte von 1,40 Meter bis 3 Meter. Die Latte des
Unterpegels, von 0,30 Meter bis 2,40 Meter messend, stand in
der Unterhavel hinter dem Mühlengebäude.
1969 wurde der Schreibpegel außer Betrieb
genommen und 1978 übernahm das Heimatmuseum das Gebäude von
der damals zuständigen Wasserwirtschaftsdirektion. Die
Pegelapparatur wurde ausgebaut und in den Museumsbestand
aufgenommen. 1994 erfolgte eine Sanierung des seit 1980
unter Denkmalschutz stehenden Pegelgebäudes.
© H. M. Waßerroth
Im Zuge der Erneuerung der Fahrbahn des
Mühlendammes und der damit verbundenen Verfüllung vieler
Mühlengerinne wurde auch die Zuleitung zum Unterpegel
unterbrochen.
Seit Jahren schon werden die Pegelstände
für Ober- und Unterwasser für die Schifffahrt an der
Vorstadtschleuse ermittelt.
Der Pegel gegenüber der
Heidrichs-Mühle am Mühlendamm,
© H. M. Waßerroth
Für die Messung der Wasserstände bildete
die auf einen königlichen Erlass in den Niederlanden
zurückgehende und 1878 von Preußen übernommene Höhenlage des
Nullpunktes von Amsterdam die Grundlage für alle hiesigen
Pegel. Diesen Bezugspunkt bezeichnete man als Normal-Null,
abgekürzt NN oder N.N.. Alle Höhenangaben beziehen sich auf
diese Ausgangshöhe, die durch Höhenfestpunkte im Innern des
Landes gekennzeichnet sind. Der Nullpunkt des Brandenburger
Pegels war mit + 27,134 NN höher liegend angenommen. Durch
immer präzisere Messmethoden musste diese Angabe öfter
geringfügig korrigiert werden. Der Brandenburger Nullpunkt
wird heute mit + 27,115 m angegeben. Das Normal-Null war bis
1992 die amtliche Bezugshöhe in ganz Deutschland.
Umgangssprachlich wird die veraltete Bezeichnung über
Normalnull in Deutschland oft als Synonym für über dem
Meeresspiegel verwendet. Seit 1993 wird das Deutsche
Haupthöhennetz (DHHN) auf Normalhöhennull (NHN) umgestellt
(neue Höhenbezugsfläche). Dieser Schritt erfolgt im Zuge der
Zusammenführung der Höhennetze der alten und der neuen
Bundesländer sowie im Zusammenhang mit der europaweiten
Vereinheitlichung der Höhennetze (UELN). Topografische
Karten enthalten jedoch häufig noch Höhen mit der
Bezugsfläche NN. Beim Höhensystem der Deutschen Reichsbahn
und an den Binnenwasserstraßen wurden in der DDR unverändert
NN-Höhen weiter verwendet.
Der Pegel, hier in Bildmitte,
davor die Fischerstände 1965, Ansichtskarte am 20.04.1966
gelaufen, Slg. H. M. Waßerroth
Im Jahr 1911 hatte die Havel einen extrem
niedrigen Wasserstand. Die Ursache hierfür war eine längere
Hitze- und Trockenperiode. Der damalige Besitzer der
Gaststätte „Havelterrassen“ – heute Fontane-Klub – hatte
sich den Spaß erlaubt, im trockenliegenden Havelbett Tische
und Stühle aufzustellen, um hier seine Gäste bewirten zu
können. Zur Erinnerung kennzeichnete man damals die Randzone
des Wasserstandes durch einen größeren Stein und dieser
trägt die Inschrift „Wasserstand 1911“.
Auch der Beetzsee war 1911 nur zu
Dreiviertel seiner sonstigen Fläche mit Wasser bedeckt, so
dass der Hungerstein, der am Ostufer des Beetzsees etwa 3
Kilometer nördlich der Schleuse lag, sichtbar wurde.
Der geborgene Hungerstein im Wasser-
und Schifffahrtsamt
Für die massiv aufkommende und teilweise unerfahrene Sport-
und Freizeitschifffahrt wurde dieser Stein zum ernsthaften
Problem. Deshalb wurde er durch das Wasser- und
Schifffahrtsamt im Mai 2012 gehoben. Die Abmessungen des
4,28 Tonnen schweren Steins betragen in etwa 2,5 m x 1,15 m
x 0,9 m. Auf seiner Oberfläche sind Jahreszahlen von 1631
(oder 1831?, hier streiten sich die Gelehrten), 1904, 1911
sowie 1934 eingraviert. Dieser Hungerstein ist heute für die
Öffentlichkeit am kleinen Beetzsee an der Einmündung zum
Silokanal gegenüber der Vorstadtschleuse am Schiffsanleger
zu besichtigen.
Der Hungerstein an seinem heutigen Platz, im Hintergrund
die Vorstadtschleuse, © H. M. Waßerroth
1969 von Friedrich-Karl Grasow
überarbeitet und ergänzt von H. M. Waßerroth
Vers 1.4.2. vom 07.05.2017
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